Ein neugieriger Männerkopf beugt sich in unser Wohnmobil. „Wohin geht denn die Reise?“ Wir lächeln. „Nach Polen.“ Verblüfftes Schweigen. „Habt ihr Verwandtschaft in Polen?“ Jetzt sind wir verblüfft. „Nein, wir machen dort Urlaub.“ Unsere Freunde reagieren ähnlich. Polen scheint für ÖsterreicherInnen nicht zu den Top-Urlaubsdestinationen zu gehören. Auch ich muss gestehen: Ich kann mir nicht viel von unserem zukünftigen Urlaubsland vorstellen. Aber ich weiß, dass es am Meer liegt. Das ist erst einmal Argument genug, um unseren Sommerurlaub dort zu verbringen.
Auf nach Polen
Unsere Reisevorbereitung
„Reservieren nicht nötig?“ Angenehm überrascht bekommen wir die ersten Rückmeldungen von den angefragten Campingplätzen. Nach Jahren fix gebuchter Plätze in Italien – mit Anreise prinzipiell samstags – ermöglicht das uns eine unerwartete Freiheit bei der Reiseplanung. Lediglich der Campingplatz Horyzont möchte eine fixe Reservierung mit einer Anzahlung von 45€.
Unsere Anreise
In Tschechien halten wir uns nur kurz auf. Wir haben uns vorab die digitale Vignette gekauft und fahren in einem Rutsch durch.
Allgemeine Informationen
Polnische Währung Zloty
Nachdem unsere Bank keine Zloty vorrätig hat, fahren wir erstmal ohne Zloty los. Unterwegs stellt sich heraus, dass wir gut mit der Kreditkarte durchkommen. Sogar die Waschmaschine am Campingplatz stellt kein Hindernis dar. Erst in der Gegend von Masuren wird Bargeld wichtig.
Tanken
Die Spritpreise sind zum Zeitpunkt unserer Reise in Polen günstiger als in Österreich.
Sprache
Mit Englisch kommen wir problemlos durch den gesamten Urlaub.
WLAN
Der Internetzugang ist auf jedem von uns besuchten Campingplatz gratis. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Qualität.
Lebensmittel
Die Grundnahrungsmittel sind in Polen etwas günstiger als bei uns. Es macht daher Sinn vorab nicht zu viel einzukaufen.
Straßen
Die Autobahnen und Schnellstraßen sind in einem sehr guten Zustand, streckenweise wird auf der Autobahn Maut eingehoben. Schmälere Straßen durch das Landesinnere reichen von tadellosem Bodenbelag bis hin zu einem Gehopse von Schlagloch zu Schlagloch.
Zwischen Kopernikus und Lebkuchen
Unsere Polenreise beginnt und endet in der Region Schlesien. Da uns das Meer lockt, halten wir uns nur kurz in dieser Region auf. Die erste Nacht verbringen wir auf dem Camping Nr.215 in der Stadt Katowice.
Camping Nr. 215 in Katowice
Müde von der langen Fahrt sind wir froh, dass der Campingplatz in der Nähe der Autobahn liegt. Das macht sich zwar an einem gewissen Lärmpegel bemerkbar, für eine Übernachtung eignet sich der Campingplatz aber wunderbar.
Direkt vor dem Campingplatz befindet sich das sehr einladende Restaurant La Cantina. An unserem Anreisetag spazieren wir nur vorbei und begnügen uns lieber mit einer selbstgemachten Griesnockerlsuppe. Am Ende unserer Polenreise statten wir dem Restaurant aber einen Besuch ab und holen uns diverse Speisen zum Mitnehmen. Wir werden sehr freundlich in Empfang genommen und das Essen schmeckt wunderbar.
Zu einem Abendspaziergang lassen wir uns trotz Müdigkeit hinreißen. Der Campingplatz und das Restaurant liegen direkt an einem See mit wunderbaren Kletterbäumen und herrlich grünen Wiesen zum Radschlagen und Fangenspielen.
Der Campingplatz wirkt im Gesamten sehr gepflegt und auch die Sanitäranlagen sind bei unserem Besuch völlig in Ordnung. Hecken trennen die einzelnen Parzellen ab, von der Größe her sind die Plätze für uns ausreichend. Die vielen Bäume und Sträucher machen die Hitze erträglich und sorgen dafür, dass der Innenraum vom Wohnmobil abkühlt. Allerdings sind dadurch am Abend einige Gelsen unterwegs und es dauert nicht lange bis wir unser Lavendelöl auspacken, um den Juckreiz zu lindern und uns vor weiteren Stichen zu schützen.
Preislich kommen wir zu viert mit Wohnmobil und Strom auf umgerechnet 24€ pro Nacht.
Die Stadt Katowice
Aus Zeitmangel haben wir uns die Stadt nicht näher angeschaut. Wenn du etwas mehr Zeit hast, dann lohnt sich aber ein Abstecher. Katowice wird vor allem mit Bergbau und Kohle in Verbindung gebracht. Mittlerweile hat sich die ehemalige Industriestadt aber zu einem Kultur-Hotspot empor gearbeitet. Sport-Events, Konzerte, besondere Architektur und vieles mehr, lässt den Besuch zu einem besonderen Ereignis werden. Katowice gilt als die grünste Stadt Polens und ist somit auch für Kinder geeignet.
Region Kujawien-Pommern
Nach unserem angenehmen Start in Polen, geht es weiter Richtung Meer. Die nächste Nacht verbringen wir am Campingplatz Nr.33.
Camping Nr. 33 Tramp
„Ein Schwimmbad, ein Schwimmbad!“, begeistert springen unsere Mädls aus dem Wohnmobil. Als Antwort ertönt in diesem Moment ein lauter Donner. Betretene Gesichter. Mit Schwimmen ist jetzt erst einmal nichts. Das ist aber nicht allzu tragisch. Es gibt ja noch den Basketballplatz, den Spielplatz und einen Fitness-Parcour.
Die Sanitäranlagen sind in Ordnung, wenngleich uns die Anzahl für die Größe des Platzes sehr gering vorkommt. Einige Stellplätze sind parzelliert. Wir stehen mit mehreren anderen Wohnmobilen auf einer großen Wiese.
Da wir den Großteil unserer Anreise im Stau verbracht haben und das Gewitter herumzieht, verzichten wir auf den Besuch der in der Nähe gelegenen Stadt Torun. Wer aber mehr Zeit und Energie mitbringt, sollte sie laut unseren MitcamperInnen unbedingt sehen. Die Lage des Campingplatzes ist dafür optimal.
Preislich kommen wir zu viert mit dem Wohnmobil und Strom auf umgerechnet 21€ pro Nacht.
Die Stadt Torun
Die Altstadt von Torun gilt als UNESCO-Weltkulturerbe. Der Astronom Kobernikus wurde in Torun geboren und ist in der Stadt allgegenwärtig. Es gibt unter anderem die Kopernikus-Universität, das Kopernikus-Planetarium und ein Kopernikus-Denkmal. Außerdem ist Torun für seinen Lebkuchen bekannt.
Campen an der polnischen Ostsee
Region Pommern
Camping Horyzont Camp
Bist du schon einmal mit Meeresrauschen aufgewacht? Ich bis zu diesem Urlaub noch nicht. Am Camping Horyzont erlebe ich das zum ersten Mal. Wir stehen erste Reihe fußfrei. Allerdings nicht direkt am Meer, sondern auf einer hohen Klippe. Daher ist es nötig, dass wir den Campingplatz verlassen, um zum Strand zu gelangen. Das stört nicht weiter, da der öffentliche Weg nicht lange ist.
In Gehdistanz befinden sich außerdem kleine Supermärkte und Obststände, zahlreiche Restaurants, ein Kletterparcour und ein Hüpfburgenland.
Die Stellplätze sind, wie in Polen oft üblich, relativ eng. Die Sanitärgebäude wirken sauber.
Der Strand ist schön und gepflegt. Ins Meer dürfen wir bei unserer Ankunft nicht, da die rote Flagge gehisst ist. Als der Wind nachlässt, genießen wir die Ostsee bei knappen 22 Grad.
Bei diesem Campingplatz haben wir im Vorfeld reserviert und eine Anzahlung geleistet. Inklusive der Anzahlung kommen wir vier auf umgerechnet 47€ pro Nacht.
Camping Stogi Nr. 218
„Eng“ ist das erste Wort, das mir bei diesem Campingplatz zuerst in den Sinn kommt. Als wir auf den Campingplatz fahren wollen, versuchen gleichzeitig ein weiteres Wohnmobil, ein Lieferauto und ein PKW den Campingplatz zu verlassen. Ein nervenaufreibendes Hin- und Herschieben beginnt. Es geht alles gut aus und wir können uns einen Stellplatz aussuchen. Die Stellplätze sind nummeriert. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass jeder der kommt, noch ein Plätzchen findet. In Polen scheint „Platz in der kleinsten Hütte“ zu sein.
Zum öffentlichen Strand spazieren wir ein kurzes Stück entlang einer Straßenbahnlinie. Der Strand wirkt sehr sauber und in Schuss gehalten. Rettungsschwimmer achten auf die Sicherheit der Badenden.
In Gehweite (ca. 1km) befindet sich außerdem ein bekannter Discount-Supermarkt.
Pro Nacht bezahlen wir umgerechnet 30€.
Mit der Straßenbahn – die Station befindet sich vor dem Campingplatz – fahren wir in 20 Minuten in die Altstadt von Danzig.
Die Stanzig in Danzig – Die Altstadt von Danzig
Zwei Bäckerinnen stehen über einen dicken Ordner gebeugt und studieren die Zutatenliste. Gar nicht so leicht, wenn man – so wie ich – ein Brot ohne Milch kaufen möchte. Schließlich klappt es und ich habe sogar drei verschiedene Wecken zur Auswahl. Wir sind in Danzig und stocken unseren Brotvorrat auf. Danach geht es weiter in Richtung Altstadt.
Danzig präsentiert sich uns als eine sehr quirlige Stadt. Außerhalb des Zentrums pulsiert der Verkehr, innerhalb der Altstadt verursachen die vielen Besucher ein Stimmengewirr. Wir fühlen uns wohl in der Stadt, die zwei Gesichter zu haben scheint. Manche Häuser wirken vernachlässigt und heruntergekommen, andere gepflegt und gut erhalten. Wir betreten die Altstadt durch eines ihrer imposanten Tore und lassen uns zum Neptunbrunnen treiben. Zwischendurch pausieren wir in einem der zahlreichen Restaurants und genießen ein gutes Mittagessen.
Danzig und der Bernstein
Bei Bernstein handelt es sich um versteinertes, fossiles Harz. Da das Harz sehr leicht und weich ist, lässt es sich gut zu Schmuck verarbeiten. Besonders interessant ist es, wenn das Harz Tiere oder Pflanzen enthält, deren Aussehen sich kaum verändert hat. Wer Glück hat, findet Bernstein bei einem Strandspaziergang.
Polen zählt zu den bernsteinreichsten Ländern. In Danzig befinden sich angeblich die größten bekannten Vorkommen von Bernstein. Da Danzig als Zentrum des Bernsteinhandels gilt, besuchen wir auch ein paar Bernsteingeschäfte und bestaunen den Schmuck und andere aus dem „Gold der Ostsee“ gefertigten Schätze.
Müde und zufrieden, mit vielen neuen Eindrücken versehen, steigen wir wieder in die Straßenbahn und fahren zum Campingplatz retour.
Wer Danzig und seine Umgebung noch etwas genauer kennenlernen will, hat viele Möglichkeiten:
Für Schiff-Fans gibt es das Museumsschiff Soldek.
Für Zoo-Fans den Danziger Zoo.
Für junge Wissenschaft-Fans das Hevelianum.
Möchtest du noch mehr über Danzig lesen, schau dich gerne bei meiner Blogger-Kollegin Anika vom Lavendelblog um.
Die Kreuzritter
Camping Nr. 197 Nogat
Der Campingplatz liegt ideal, um die Kreuzritterburg Marienburg zu besichtigen. Uns präsentiert sich der Campingplatz sehr ruhig und nur spärlich besucht. Nach all der Action auf den Campingplätzen am Meer genießen wir die Ruhe. Allerdings gesellt sich in die Idylle einiges an Getier und es dauert nicht lange bis mich eine der zahlreichen Wespen beim Geschirrabwaschen in den Finger sticht.
Die Stellplätze sind parzelliert und kosten umgerechnet 22€ pro Nacht.
Die Marienburg in Malbork
Staunend drehen wir uns im Innenbereich der Burg um unsere eigene Achse. Wir befinden uns im größten Backsteinbau Europas, der mittlerweile zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.
Wir haben Kopfhörer auf und lassen uns von einem Audioguide durch die riesige Anlage leiten. Praktischerweise ist heute Montag und es fallen nur die Kosten für die Audioguides an. Die Tickets dazu gibt es online und daher brauchen wir uns auch nicht in der langen Schlange für die Eintrittskarten anzustellen.
Ehrfürchtig bestaunen wir die zahlreichen Vorkehrungen gegen feindliche Übernahmen. Mein persönliches Highlight ist der Rosengarten. So ein idyllischer Platz würde mir zuhause auch gut gefallen. Weniger idyllisch ist das ritterliche WC in 17 Meter Höhe. Da bevorzuge ich eindeutig unsere heutigen Sanitäranlagen.
Nach fast 2 Stunden Burgbesichtigung sind wir glücklich und erschöpft. Wir sind uns einig: Diese Burg ist einen Besuch wert!
Masuren – Region Ermland-Masuren
Dieses Gebiet gehört für uns zu den reizvollsten in ganz Polen. Der Nachteil: Das finden nicht nur wir. Es sind deutlich mehr Wohnmobile als bisher unterwegs. Zum ersten Mal stoßen wir daher auf ein paar Herausforderungen. Unser Wunsch-Campingplatz ist ausgebucht. Einige Campingplätze wirken eher lieblos. Preislich haben wir bei manchen Plätzen das Gefühle ausgenommen zu werden. Wir ziehen daher weiter und aus unserer geplanten Reisedauer werden deutlich mehr Stunden.
Bei unserer Suche kommen wir in eine Gegend, in die wir ursprünglich gar nicht fahren wollten. Und siehe da: Es hätte uns nichts besseres passieren können. Wir landen bei Joanna und Heinz.
Agroturystyka i Camping Joanna i Heinz Grundl
Ein lauter Krach und die Innenscheibe unseres Wohnmobilfensters zerbricht. Geschockt halten wir die Hälfte des Acrylglases in der Hand. Zum Glück sind wir auf einem wunderbaren Campingplatz mit äußerst hilfsbereiten Betreibern. Umgehend wird für uns ein Kleber besorgt und wir können die Scheibe provisorisch reparieren. Abgesehen von der Hilfsbereitschaft zählt dieser Platz auch optisch zu den Highlights unserer Reise.
Wir fühlen uns, als würden wir mitten im Wald campen. Das weiche Moos ist herrlich für unsere Füße, die vielen Mücken schätzen wir aber eher weniger. Zum idyllischen See gelangen wir in ein paar Gehminuten. Allerdings müssen wir dafür eine große Straße überqueren. Zum Glück ist sie nicht zu stark befahren.
Wir borgen uns ein Ruderboot aus und erkunden die kleinen versteckten Winkel des Sees, baden, beobachten Wasserschnecken und Frösche. Wir lassen es uns gut gehen. Am Abend zündet Heinz kleine Laternen am Wegesrand an und die Urlaubsstimmung ist perfekt.
Wer möchte, kann in der Umgebung zahlreiche Ausflüge machen. Wir halten uns vorwiegend am Campingplatz auf, da es für uns sowieso bald wieder weitergeht.
Der Bialowieza Nationalpark – Auf den Spuren des Wisent
Polen gilt als Land der Störche. Warum das so ist, merken wir auf dem Weg zur weißrussischen Grenze. Entlang der Straße sehen wir zahlreiche, wunderschöne Storchenpaare in ihren Nestern. Es hat etwas Magisches, wenn sie gemeinsam ihre Kreise am Himmel ziehen oder elegant auf der Wiese spazieren. Später erfahren wir, dass es in Polen Dörfer gibt, die mehr Störche als EinwohnerInnen haben. Dabei sind wir ursprünglich gar nicht wegen der Störche an die Grenze zu Weißrussland gekommen. Wir wollen den letzten Tiefland-Urwald Europas mit seiner Fauna und Flora kennenlernen.
House of stork
Für unsere Erkundungen haben wir als Basis den Campingplatz House of storck gewählt. Das stellt sich als Glücksgriff heraus, denn abgesehen von seiner praktischen Lage, fühlen wir uns auf Anhieb wohl. Wir werden herzlich willkommen geheißen und sind froh, dass nach der langen Fahrt das Einchecken/Anmelden so unkompliziert abläuft. Die Sanitäranlagen sind sauber, die Abwaschgelegenheit ebenso. Für zeltende Gäste stehen eine Küche und überdachte Sitzmöglichkeiten zur Verfügung. Unsere Kinder freuen sich über den kleinen Spielplatz.
Der Tierpark
Es ist drückend heiß. Mit Wasserflaschen und minimalen Proviant ausgestattet, machen wir uns auf den Weg zum 5km entfernten Tierpark. Das erste Stück marschieren wir entlang der Straße in der anstrengenden Hitze. Nach einiger Zeit gelangen wir zu einer kleinen Parkmöglichkeit. Dort biegen wir in den Wald ein. Hier ist es herrlich kühl. Doch mit der Kühle kommen auch die Stechmücken. Sie stürzen sich auf uns und wir schwören uns, zukünftig die polnischen Nationalpark-Wälder nur noch mit langen Hosen und Pullis zu betreten. Der Wald an sich ist wunderschön. Er ist komplett ruhig und wild verwachsen. So ganz können wir die Stille aber nicht genießen, denn kaum gehen wir langsamer oder wagen es stehen zu bleiben, surrt ein Schwarm Gelsen heran. Daher sind wir froh, als wir den Tierpark erreichen. Hier gibt es keine Blutsauger mehr. Dafür andere Tiere.
Ich persönlich bin kein Freund von Zoos und der Haltung von Tieren in Gefangenschaft. Der Tierpark hilft uns aber zu verstehen, welche Tiere in dieser Gegend frei, vom Menschen unbeobachtet, leben. Das ist sehr spannend. Wir sehen Luchse, Wölfe, Rehe, Wildschweine und natürlich den Star von Bialowieza: der Wisent. Uns ist klar, dass wir diesen Tieren nicht unbedingt von Angesicht zu Angesicht in freier Wildbahn gegenüberstehen wollen, aber ihr Lebensraum unbedingt schützenswert ist.
Unseren Rundgang beenden wir beim Kinderspielplatz. Dort verzehren wir auch unseren spärlichen Proviant. Restaurant gibt es hier nämlich keines.
Unser Rückweg gestaltet sich ähnlich wie der Hinweg: Zügig durch den Gelsen-Wald, schleppend entlang der Straße in der prallen Sonne. Als wir den Campingplatz erreichen, sind wir erschöpft, aber glücklich. Dieser Ausflug hat sich gelohnt.
Der Bialowieza Nationalpark
Es ist 8 Uhr morgens und wir stehen vor der Touristen-Information am Eingang zum Bialowieza Nationalpark. Wir haben eine deutschsprachige Urwald-Führung gebucht. Die Führung kostet umgerechnet ungefähr 90€ und dauert 4 Stunden. Das Praktische: Wir können bei der Buchung entscheiden, ob wir eine Privatführung bevorzugen oder sie auch für andere TeilnehmerInnen öffnen wollen.
Der Vorteil einer Privatführung:
Wir können die Führung jederzeit beenden, wenn es unseren Kindern zu viel wird. Für mich ein gutes Argument, denn ich konnte mir noch nicht so recht vorstellen, 4 Stunden ohne Toiletten- und Esspause im Wald zu verbringen.
Der Vorteil einer Gruppenführung:
Jede Person, die sich dazu anmeldet, beteiligt sich an den Kosten. Eine Gruppe darf aus maximal 10 Personen bestehen.
Wir haben uns letztendlich für die Öffnung der Gruppen entschieden. Das hat sich als goldrichtig herausgestellt:
- Wir waren im Endeffekt 9 Personen und haben daher pro Person nur 10€ (inklusive einer kleinen Eintrittsgebühr) bezahlt. Als vierköpfige Familie sind wir somit auf rund 40€ gekommen.
- Meine Sorge mit der Toilette war unbegründet. Direkt vor der „speziellen Zone“, die nur mit einem Guide betreten werden darf, befindet sich eine Toilette. Innerhalb der abgegrenzten Zone haben wir uns nur 2 Stunden aufgehalten. BesucherInnen dürfen überall essen und trinken, allerdings darf nichts liegen gelassen werden.
- Kein Gejammer von Seiten meiner Kinder. Das hätte bei einer Privatführung durchaus anders aussehen können.
- Die Urwald-Führung zählt zu den Highlights unseres Polen-Urlaubs. Dennoch habe ich die Führung als sehr intensiv erlebt und war nicht unglücklich darüber, dass auch andere Leute mit gekommen sind. So konnte ich sowohl von ihren Fragen lernen als auch einfach nur den Urwald auf mich wirken lassen, ohne unhöflich oder desinteressiert auf unseren Guide zu wirken.
Aber zurück zum Startpunkt. Maria stellt sich als unser deutschsprachiger Guide vor und marschiert mit unserer bunten Truppe bestehend aus Schweizern, Holländern und uns Österreichern los. Sie betont, dass wir uns zum Spazierengehen getroffen haben, im Urlaub sind und keine Eile haben. Mit ihrer Einstellung ist sie mir von Anfang an sympatisch.
So begeben wir uns auf unsere 7,5 km lange Expedition. Wir schlendern durch den öffentlich, frei zugänglichen Teil des Nationalparks und erfahren einiges über die Geschichte. Nach einer Stunde erreichen wir den Eingang zur geschützten Zone. Durch ein Tor betreten wir eine faszinierende Welt. Diese darf nur mit einem Guide erforscht werden und selbst mit Guide lernen wir nur einen kleinen Teil des Urwalds kennen.
Der Urwald gilt als letzter Tiefland Urwald Europas und ist daher besonders schützenswert. Tausende Pilz- und Pflanzenarten, über 100 Vogelarten, mehr als 50 Säugetierarten sowie zahlreiche Reptilien und Amphibien leben hier. Der Mensch hält sich weitgehend heraus. Bäume, die umfallen, bleiben liegen – außer sie landen genau auf einem der Wege, die von Touristen begangen werden – und bilden den Nährboden für neue Pflanzen und Lebewesen. Wir sehen zahlreiche Pilze, Moose, Farne und staunen über von Blitzen gespaltene Bäume. Was wir nicht sehen, sind wilde Tiere. Mit einer Ausnahme: Moskitos. Sie sind überall und unsere ständigen Begleiter. Unsere lange Bekleidung macht sich bezahlt.
Der Urwald erstreckt sich zu zwei Drittel über die Grenze nach Weißrussland hinein. Wie nah wir an der Grenze sind, merken wir als das Handy automatisch die weißrussische Uhrzeit anzeigt. Einen unbeabsichtigten Grenzübertritt gibt es aber nicht einmal für die am Boden lebenden Tieren. Ein großer Grenzzaun trennt die beiden Länder.
Den Wisenten ist es zu verdanken, dass es heute noch den Urwald gibt. Sie waren als größtes Landsäugetier Europas eine begehrte Jagdtrophäe. Um ihren Fortbestand zu sichern, wurde auch der Wald geschützt. Leider hat unter anderem der Erste Weltkrieg dafür gesorgt, dass die imposanten Riesen ausgestorben sind. Zum Glück gelang es, sie durch Aufzucht in Tierparks wieder im Urwald anzusiedeln.
Mittlerweile ist der Urwald ein UNESCO Biosphären-Reservat. Dementsprechend groß war das Entsetzen, als Polen 2018 Abholzungen im Urwald vorgenommen hat. Diese wurden mittlerweile gestoppt, Aktivisten sind aber nach wie vor beunruhigt.
Wir sind unglaublich dankbar für die Möglichkeit, diesen einzigartigen Wald kennenzulernen. Die Urwald-Führung hat ihn uns auf eine Art und Weise näher gebracht, die mit einem normalen Spaziergang nicht denkbar gewesen wäre. Müde und zufrieden schlendern wir zum Campingplatz zurück.
Emilia unterwegs in Polen – Liebe Grüße vom Campingplatz
Polen hat uns als Urlaubsland so sehr beeindruckt, dass im Anschluss daran ein Kinderbuch entstanden ist. In Emilia unterwegs in Polen schreibt Emilia ihrer Freundin Anna, die sie am Campingplatz in Italien kennengelernt hat, E-Mails. Sie berichtet von ihren Camping-Erlebnissen. Anna antwortet und so schreiben die Mädchen hin und her. Leider kann Annas Familie noch nicht losfahren, da die Mutter krank geworden ist. Anna macht das beste daraus und spielt zuhause Campingplatz. Doch schon bald ist Mama wieder gesund und die beiden Freundinnen erleben eine Überraschung!
Warst du auch schon einmal in Polen? Oder hast du Fragen zu unserer Reise? Dann melde dich gerne!
Dieser Blogartikel ist 2021 erschienen und wurde 2024 aktualisiert.
Möchtest du noch weitere Campingplätze in Polen kennenlernen? Dann schau gerne bei meinem Artikel über das Baltikum vorbei! Auf unserer Hin- und Rückreise haben wir auch zahlreiche Stopps in Polen gemacht.
Bildquelle Titelbild, Katowice und Kopernikus: Canva